In Kur (2) – die Anreise

Welch ein Tag!
Voller Vorfreude auf meine Kur hab ich meine Taschen gepackt. In solchen Momenten vermiss ich ja den Dachgepäckträger auf meinem Mopped. Ganz ehrlich.

Aber was so ein echter Biker ist, der ist natürlich auch ein Logistikspezialist. Zunächst wird also mal eine Liste erstellt, was ich alles in den nächsten 4 Wochen brauche (eigentlich sollte ich ja nur 3 Wochen Kur bekommen, aber mal ehrlich: Da brauchst du doch vor Ort die Tasche gar nicht erst auszupacken, oder?)
Nachdem diese Liste mit akribischer Mühe auf zwei eng beschriebene DIN A4 Seiten reduziert wurde, machte ich mich daran, die einzelnen Punkte abzuarbeiten und alles auf dem Esszimmertisch zurecht zu legen. Schon bald wurde der Tisch zu klein und das Esszimmer überfüllt.

Das alles sollte mit? Da brauch ich ein Wohnmobil und kein Mopped.
Also wurde die Liste noch um einige Punkte gestrichen.
Pornosammlung, DVD-Player und Playstation müssen zu Hause bleiben. Auch die eiserne Reserve in Form von 8 Kisten Dortmunder Kronen Export findet keinen Platz. Welch harter Schlag des Schicksals.

Die Liste war mittlerweile auf eine halbe DIN A4 Seite geschrumpft und ich beschäftigte mich mit der Frage ob eine 3. Paar Socken wirklich nötig war. Die Boxershorts wurden gegen String-Tangas ausgetauscht und so langsam näherte ich mich dem möglichen Packmaß meiner Maschine an.
Nach dem Beladen sah mein Mopped aus wie ein indisches Mofa: 6-köpfige Familie in Reihe draufgestapelt und die Kuh hinten quer auf der Gepäckbrücke festgezurrt.
Egal. Hauptsache fährt. War sogar noch ein bisschen Platz wo ich mich hinquetschen konnte.

Und holla, welch ein Fahrgefühl. Durch die extreme Hecklastigkeit ging die Fuhre schon bei sanftester Beschleunigung in den Wheelie. Blöd nur, dass mir das an der Ampel neben einer Streifenwagenbesatzung auffiel. Ja Freunde, nicht nur ich machte da ein dummes Gesicht. Gefährliche Fahrweise warf mir die uniformierte Beamtin vor. „Schätzken gefährlich wird’s mit mir nicht nur an der Ampel.“ Ich wollte mir doch nicht schon am ersten Tag meines Wellnessurlaubs die gute Laune wegen so einer Kleinigkeit vermiesen lassen.
Auf die Frage nach meinen Personalien antwortete ich ihr mit einem Zwinkern, dass das ja eine ganz billige Anmache sei und so ein schmuckes Uniformhäschen doch auch direkt nach meiner Telefonnummer fragen könnte. Leider deutete ich ihr Erröten falsch und ihre Reaktion auf meinen leichten Klapser auf ihren formschönen Hintern fiel entsprechend schmerzhaft für mich aus.Um es kurz zu machen: Das Häschen verlor schlagartig ihr sonniges Gemüt, und neben einem Strafzettel wegen dem Wheelie bekomme ich nun auch eine Anzeige wegen Beleidigung und sexueller Belästigung. Ich sag ja, ich brauche unbedingt Entspannung und Erholung. Zwei Stunden später durfte ich meine Fahrt schon wieder fortsetzen.

Schon die Route war eine Einstimmung auf kommende Urlaubsfreuden: Hinter Köln ab an den Rhein, durch die Eifel an die Mosel und dort dann Kurvenschwingen bis Bernkastel-Kues. Dachte ich. Aber das Hochwasser wollte mir unbedingt einen Strich durch die Rechnung machen. Eine Umleitung folgte der nächsten und nicht selten kam ich dort wieder an, wo ich Minuten vorher schon mal war. Jegliche Routenneuberechnung meines Navis wurde durch die ausgeschilderten Umleitungen schon bald verworfen und ich erwartete jeden Moment den Hinweis „leck mich doch am Arsch“ im Display.
Zum Glück liegt die Klinik auf einem Plateau, so dass ich mir keine Sorgen machen musste, dass mein Mopped aufgrund steigender Moselfluten ertrinken könnte. Erst als ich anfing, die Straßensperrungen zu ignorieren näherte ich mich der Moselhöhe. Böser Fehler. Urplötzlich mutierte das, was grade noch eine Straße war zu einem Schifffahrtsweg und ich ärgerte mich, die Schwimmflügel von meiner Gepäckliste gestrichen zu haben.
Half nix. Da mussten wir durch, das muss das Boot abkönnen, es gibt kein zurück. Kurz vor Erreichen der Sehrohrtiefe tauchten das Mopped und ich dann aus den Fluten wieder auf. Gegen das Manöver war die Nummer mit dem Roten Meer damals echt zweitklassig. Na ja, war ja auch nicht von mir.
Schon bald darauf erreichte ich die Moselhöhe. Da alle Parkplätze vor der Klinik den höheren Angestellten vorbehalten waren (jeder hatte sein eigenes Schild), parkte ich kurzerhand neben dem Hauptportal. Windgeschützt und im direkten Blick des Empfangs. So konnten die Damen viel einfacher auf mein Mopped aufpassen. Perfekt!
Ich war nicht der einzige Neuankömmling des Tages. Die gute Dame am Empfang war sichtlich in Hektik, die Schlange vor mir lächelnd zu verkürzen. Gab wohl außer mir noch weitere Hochwasseropfer, die verspätet ankamen. Der Mann vor mir durfte sich grade eines strafenden Blickes erfreuen, hat er doch tatsächlich einen der hochherrschaftlichen Parkplätze belegt.
Er solle schnell das Auto entladen und dann zügig den Wagen auf den Patientenparkplatz stellen. Ich befürchtete schon, mein grad ergatterter Topparkplatz würde mir wieder aberkannt, aber mit einem fürsorgenden Lächeln erklärte mir die Dame, dass ich ganz in Ruhe mein Motorrad abladen und mein Gepäck auf mein Zimmer bringen möge. Sogar wo ich die Gepäcktrolleys finde hat sie mir erklärt, obwohl die nur zwei Meter neben meinem Motorrad standen. Nachdem ich das Motorrad ent- und den Trolley überladen hatte, wies sie mich noch freundlich darauf hin, dass meine Maschine selbstverständlich dort stehen bleiben dürfe. Freundlicher geht doch kaum, oder? Das war doch mal eine ganz andere Erfahrung als mit der Uniformtusse am Vormittag. Der Urlaub kann beginnen!

Euer
Güntha ‚der Seemann‘ Koslowski