In Kur (1) – der Antrag

Welch ein Tag!
Wer so wie ich permanent in einer Art und Weise unter Strom steht, dass ein Griff in die Steckdose einer Einspeisung ins öffentliche Elektrizitätsnetz gleichkommt, der muss auch mal entspannen.

Wellness ist das Zauberwort. Einfach mal ein bisschen raus um wieder runterzukommen. Das Zucken der Mundwinkel und die geplatzten Adern im Auge reduzieren.

Fehlt nur noch das richtige Etablissement:
Fünf Sterne Hotel Bayerischer Hof, München. Weltstadt. Flair. Genau mein Ding. Wellnessbereich Blue Spa hoch über den Dächern der Stadt.
Mit 520 € pro Person und Nacht jetzt nicht so ganz das, was mein Geldbeutel sich vorgestellt hat.

Aber es gibt ja noch Alternativen:
Landhaus Stricker auf der Insel Sylt. Auch 5 Sterne, die Sansibar nur einen Steinwurf entfernt. Da trifft sich die Haute-Volée. Da gehör ich hin. Aber mit 230 € immer noch recht happig.

Also Plan B:
Klinik Moselhöhe, Bernkastel-Kues. Malerisch gelegen auf einem Plateau direkt über der Mosel. Gegenüber dem Bernkasteler Doctorberg, so dass man einen guten Blick direkt auf einen der besten Riesling-Weine der Welt hat.
Zuzahlung 10 € pro Tag inkl. Vollpension und Anwendungen. Das ist es! Genau das was ein abgespannter Güntha braucht. Jetzt ist es natürlich so, dass man so einen Reha-Aufenthalt nicht mal eben übers Internet buchen kann. Nee, so einfach ist das nicht. Das ist eine ausgesuchte Gemeinschaft mit erlesenen Teilnehmern.

Ich also mit dem Hochglanz-Internetausdruck zu meinem AOK-Sachbearbeiter um ihm die Situation zu erläutern.
„Worauf wollen Sie denn eine Reha beantragen?!“
„Wegen chronischer Unterernährung“. Der musternde Blick gab mir deutlich zu verstehen, dass meine Adipositas sowohl erkannt, wie auch richtig eingeordnet wurde.
„Nee mein Bester, nicht ICH… meine Geldbörse leidet an Unterernährung“, stellte ich klar.. All die richtigen Wellnessfarmen sprengen die Urlaubskasse. Und da kommt eine krankenkassenfinanzierte Reha wie gerufen.

Der Sachbearbeiter erklärte mir mit einer stoischen Ruhe und großen Ernsthaftigkeit, dass in der von mir gewählten Klinik psychosomatische Erkrankungen behandelt werden und es sich keinesfalls um ein Feriendomizil handele.
Das musste ich nun erst mal sacken lassen. Langsam breitete sich ein Grinsen der Erkenntnis auf meinem Gesicht aus.

„Ich bin schizophren. Ich habe eine gespaltene Persönlichkeit“ brachte ich im Brustton der Überzeugung hervor. Mein AOKler fühlte sich sichtlich verarscht, deshalb legte ich gleich nach: Das ist bei mir so stark ausgeprägt, dass sogar meine gespaltene Persönlichkeit noch eine eigene Schizophrenie hat. Deshalb muß ich immer ein 4er Ticket lösen wenn ich mit dem Bus fahre.
Ich hatte damit erreicht, dass mich mein Sachbearbeiter zumindest nicht mehr für „normal“ hielt. Aber da ist er ja beileibe nicht der einzige. Der Drops war gelutscht, das Ziel erreicht, die Nuss geknackt. Mr. AOK füllte mit mir gemeinsam meinen Reha-Antrag aus.
Keine 5 Wochen später war meine Reha bewilligt. Sogar in meiner Wunschklinik.
Geht doch.

Musste mal gesagt werden, woll!

Euer
Güntha ‚der Seemann‘ Koslowski